Vol­ker Ho­mann, 27·VI·22, 12:08

Kultur: Ein natürliches Spiel von Wahrheit & Wirklichkeit¹

Über Verstand & Vernunft, Erkenntnis & Einsicht. Über den Menschen. Als Tier.

In­wie­weit wä­re ei­ne Phi­lo­so­phie des Le­bens we­ni­ger er­kennt­nis­theo­re­tisch zu fun­die­ren und ist mehr in der ver­ste­tig­ten Übung ei­ner Ein­sichts­pra­xis zu be­grün­den? In­wie­weit soll sie al­so nicht ‚Wis­sen‘ der ‚Wahr­heit‘ zum Ziel ha­ben („Macht“), son­dern ‚Mut‘ zur ‚Wirk­lich­keit‘ („Ver­mö­gen“) vermitteln?

Die Wahr­heit ist ein Kon­strukt un­se­res Geis­tes. Um zu le­ben, brau­chen wir kei­ne Wahr­heit. Sie ist ei­ne Ar­chi­tek­tin un­se­rer Kul­tur, kein Arzt un­se­rer Na­tur. Wir wer­den auch im­mer Tie­re blei­ben. Tie­re die Hun­ger ha­ben und Durst. Tie­re, die sich ver­meh­ren wol­len. Tie­re, die ihr Re­vier ver­tei­di­gen. Tie­re, die kämp­fen. Tie­re, die über­le­ben wol­len. Die­ses Tier geht nicht weg, es ist im­mer da. Un­se­re Kul­tur ist ein na­tür­li­cher Über­bau. Und von dem aus ha­ben wir das Tier im Men­schen fest­zu­stel­len, zu kon­sta­tie­ren. Kein Weg führt dar­an vor­bei. Die­se Sicht ist ver­nünf­tig, auch wenn der Ver­stand sich ge­gen die­se Wahr­heit wehrt. So Man­che wol­len das nicht wahr­ha­ben, das Tier im Men­schen fürchtend.

Wer es nicht schafft, sei­nen „Wil­len zur Macht“ für sich selbst zu nut­zen, wird ein Skla­ven­le­ben füh­ren müs­sen. Ja? Nein! Er wie Sie kann ge­nau­so ein Her­ren­le­ben füh­ren. Doch die Macht über die Macht, die hat nicht, wer sich nicht dar­auf ver­steht, sei­nen „Wil­len zur Macht“ für sich nutz­bar zu ma­chen. Zu: kul­ti­vie­ren.

Der ver­nünf­ti­ge Mensch sucht doch die Frei­heit, die Wahl. Die Ver­ant­wor­tung da­mit, auch. Das ist die Wirk­lich­keit des Men­schen, in eben die­ser Frei­heit zu ste­hen. Was heißt: zu su­chen braucht er sie nicht, er hat sie schon. Nur sie auch zu le­ben, das traut er sich noch nicht. In 10000 Jah­ren wird die Welt an­ders aussehen.

Er miss­traut sei­ner Na­tur. Sieht sie als Dunk­les, Be­droh­li­ches, Un­be­herrsch­ba­res. Schafft Wahr­hei­ten, um das Dun­kel zu be­herr­schen. Und ist von sei­nem ei­ge­nen Licht ge­blen­det. Sieht nicht, ver­steht nicht, dass er nur sich selbst be­leuch­tet — doch er­klärt so die gan­ze Welt.

Das Mons­ter des Men­schen steckt doch in sei­ner Kul­tur­fä­hig­keit, die Kul­tur ist das Mons­ter, das er fürch­ten soll­te. Sei­ner Na­tur nach ist der Mensch ver­nünf­tig — und sei­ne Na­tur hat sich bis­her im­mer durchgesetzt.

Doch das schmeckt sei­nem Ver­stand nicht, der das Cha­os fürch­tet. Weil es ihn des­ori­en­tiert, wenn er kei­ne Re­gel ent­de­cken kann, nichts vor­her­sa­gen kann. Der Mensch fürch­tet sich, wenn er nicht wis­sen kann, was ihn er­war­tet. Zu­min­dest ver­un­si­chert es ihn, wes­halb ihm der Ver­stand mit auf den Weg ge­ge­ben wur­de. Oder, dar­wi­nis­ti­scher for­mu­liert: Sich evo­lu­tiert hat. Da­mit es sich nicht so fürch­tet, das Menschlein.

Der Ver­stand des Men­schen (zer)stört das Kli­ma, der Ver­stand des Men­schen be­grün­det ei­nen Ge­no­zid, der Ver­stand des Men­schen lässt ihn Krie­ge füh­ren — al­les im Na­men der Wahrheit.

Die Kunst ist kein Pro­dukt der Kul­tur des Men­schen, sei­nes Ver­stan­des — es ist ein Ge­wächs sei­ner Na­tur, des Tie­res in ihm, sei­ner Ver­nunft. Es ist die Kunst, die den Men­schen aus den Mi­se­ren, die er mit sei­ner Kul­tur selbst ge­schaf­fen hat, rettet.

Der ver­nünf­ti­ge Mensch ist ganz Na­tur. Ker­nig, erd­ver­bun­den, un­auf­ge­regt. Be­schei­den. Hät­te der Mensch kei­ne Kul­tur, die­ser Pla­net wä­re der fried­lichs­te Ort mit der bes­ten Luft und den güns­tigs­ten Ha­bi­tat­be­din­gun­gen für den Men­schen, die sich nur den­ken las­sen. Ein: Paradies.

Wenn da nicht die Mü­hen der Jagd wä­ren. Und der be­eng­te Raum. Und die Neu­gier, die Gier über­haupt. Und dann die­se Win­ter. Und die Som­mer erst, je nach Ge­gend. Nein, die­ses Ha­bi­tat er­scheint dem Ver­stand, dem Be­quem­lich­keit su­chen­den Hirn, des En­er­gie­spa­rens we­gen, gar nicht so ge­müt­lich. Das Ha­bi­tat will kul­ti­viert sein, wohn­lich hat es zu sein!

Da ist’s dann auch schon wie­der vor­bei mit der Ver­nunft, der gie­ri­ge Schlund der Kul­tur öff­net sich und ver­leibt sich das Ha­bi­tat ein. Die Ver­nunft für sich al­lein scheint al­so nicht be­son­ders stark zu sein.

Um nun al­so als Men­schen uns selbst das Was­ser nicht ab­zu­gra­ben vor lau­ter Kul­tur­drang und Na­tur­ver­ach­tung, bleibt wohl doch nur die Flucht nach vor­ne: sich jen­seits von gut & bö­se, wahr und falsch, Cha­os und Kos­mos, Ver­nunft und Ver­stand zu be­ge­ben. Ein Land, das wir uns gar nicht vor­stel­len kön­nen. Und das es viel­leicht – des­halb? – nicht gibt.

Und doch gibt es ei­nen Ort jen­seits von: Das Zwi­schen. Das Zwi­schen von Na­tur und Kul­tur. Das Zwi­schen von Ver­nunft und Ver­stand. Da, wo der Mensch noch Mensch sein darf: Na­tur mit Kul­tur, Kul­tur mit Na­tur. Ver­nunft mit Ver­stand, Ver­stand mit Ver­nunft. Cha­os mit Kos­mos, Kos­mos mit Cha­os. In die­sem „mit“ liegt der Schlüs­sel zur Glück­se­lig­keit. Es ver­mit­telt die Ge­gen­sät­ze ver­nünf­tig, die der Ver­stand ge­schaf­fen hat.

Cha­os hat auch die Be­deu­tung je­ner Dunst­schicht zwi­schen Him­mel und Meer. Ur­sprung der bei­den, so zu­min­dest dach­ten sich das wohl man­che in der An­ti­ke in Grie­chen­land. Und so kön­nen wir auch den Men­schen in eben die­sem Cha­os, in die­ser Un­be­stimmt­heit, Un­be­stimm­bar­keit, in die­ser Gren­ze, die nur als Über­gang, als An­gren­zung und nicht Ab­gren­zung in den Blick kommt, ver­or­ten. So an­ge­se­hen, kann der Mensch als Schöp­fer von oben und un­ten, von Him­mel und Meer, von Apoll und Dio­ny­sos, auf­ge­fasst wer­den — sich selbst je­doch nicht er­rei­chend, im Cha­os ver­schwin­dend. Ein sol­ches An­se­hen des Men­schen durch den Men­schen selbst kann nun – viel­leicht – eben als ein Akt des ver­nünf­ti­gen Ver­stan­des, der ver­stän­di­gen Ver­nunft in­ter­pre­tiert wer­den. Es ist Ein­sicht wie Er­kennt­nis: er­ken­nen­de Ein­sicht, ein­sich­ti­ge Erkenntnis.

Der Mensch: Ein Zwi­schen. Ein In­ter-es­se, ein „da, zwi­schen“, „in Mit­ten“ sein.

Ein Kul­tur­we­sen. Ein Zwischenspiel?
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¹ Der vor­lie­gen­de Text ist ein durch star­ke Kür­zun­gen und we­ni­gen Hin­zu­fü­gun­gen de­stil­lier­tes De­ri­vat ei­nes denk·pau·se-Beitrags

Jo­chen Kö­nig, 27·VI·22, 15:59 Uhr

Bildung: eine Meditation als Angebot für Assoziation und Kommunikation

Bil­dung, ach so Bil­dung: Ein Be­griff, ein Phä­no­men, so sehr ent­kernt durch fal­schen in­fla­tio­nä­ren Ge­brauch wie Kom­pe­tenz, Qua­li­tät, Wür­de u.v.m.

So viel ist dar­über ge­schrie­ben wor­den. Lan­ge Tex­te. Da­her heu­te: An­ders (ein Re­likt aus der Mar­ke­ting-So­zia­li­sa­ti­on des Ver­fas­sers: Ein­zig­ar­tig­kei­ten her­aus­he­ben, Dif­fe­ren­zie­rung för­dern; mit­hin „USP“=Unique Sel­ling Proposition/einzigartiges Verkaufsargument).

Spots. Ster­ne des Selbst. Stun­den der Eigen-Bildung.

Es fol­gen mo­nat­lich: Bil­der über Bil­dung. (Ich: Mal was ganz an­de­res und ich mal ganz anders).

Sich bil­den. SICH bilden.

Sich ein Bild ma­chen, wer man war, ist, sein wird.

Wie man als Teil der Welt in der Welt steht.

Aus­bil­dung? Bil­dung ist nie aus.

Fort­bil­dung? Wohin??

Wei­ter­bil­dung? Wei­ter von sich weg?

Wör­ter? Worte!

Wis­sen. Welt­bild. Wirk­lich­keit. Wahr­heit. Wech­sel. Wir­kung. Wech­sel­wir­kung. Wil­len. Wol­len. Wer­te. Welt. Wett­be­werb nein. Wich­tig­tue­rei nein. Weis­heit? Weisheitsliebe?

Pa­ra­do­xe be­ja­hen: Weis­heit kann man nie ganz er­lan­gen, aber man strebt es an. Wi­der bes­se­ren „Wis­sens“.

Oxy­mo­rone be­ja­hen: Be­red­tes Schwei­gen. Wis­sen­des Nichtwissen.

Wich­tig. Rich­tig. Lich­tig. (Vorn‘ ist das Licht).

Sinn. Sin­ne. Sinnen.

Pres­sen­ti­ment statt Ressentiment.

Vom Re­flex über die Re­fle­xi­on zum Reflekt.

Un­vor­ein­ge­nom­men­heit statt Vor­ur­teil. Nach­ur­teil statt Vor­ur­teil. Ur­teil statt Verurteil.

Über­ein­stim­mung mit sich selbst. Be­wusst­sein, dass man mit der Na­tur, mit der Kul­tur, mit der Ge­sell­schaft in Wech­sel­wir­kung steht und gleich­zei­tig Be­stand­teil da­von ist.

Geist. See­le. Leib.

An­wen­dung statt auswendig.

Her­zens­bil­dung statt Punkte.

Ko­gni­tiv.

Men­tal.

Emo­tio­nal.

Vo­li­til.

Krea­tiv.

Punkt: Heu­te.

Pro­jekt: Immer.

Pro­zess: Für immer.

Phi­lo­so­phie: Pflichtfach.

Wis­sen­schaft: Re­spekt vor al­len. In­ter­dis­zi­pli­na­ri­tät; Ar­beits­tei­lung in In­ter­es­se für Er­kennt­nis­se (Er­for­schun­gen, Er­fin­dun­gen, Ent­wick­lun­gen) der Einzelwissenschaften.

Den­noch: Ge­ne­ra­lis­mus vor Spe­zia­lis­ten­tum vor Ex­per­ten­tum vor Fachidiotie.

Re­li­gi­on, Kunst, Me­di­ta­ti­on als wei­te­re Welt­an­eig­nungs­wei­sen an­er­ken­nen, sich da­für interessieren.

Re­spekt, Ak­zep­tanz, Toleranz.

Re­spekt, An­er­ken­nung, Wertschätzung.

Hin­weg mit IQ, EQ, SQ-Beck­mes­se­rei und Ta­xie­re­rei. Sich zu­rück­neh­men, sich da­mit her­vor­tun, sich ein­brin­gen, sich da­mit gewinnen.

Ko­exis­tenz: Kri­tik. Kon­zep­ti­on. Krea­ti­on. Al­le Ge­hirn­area­le. Zu­sam­men­spiel. Zu­sam­men. Spiel.

Theo­rie. Pra­xis. Exis­tenz. Kipp­bil­der und Ve­xier­bil­der ein- und desselben.

Neo­lo­gis­men:

In­bil­dung statt Aus­bil­dung: IN sich ist die Bild­bar­keit. Auch sich in der Kul­tur sehen.

Nä­her­bil­dung: Statt Wei­ter­bil­dung: Die exis­ten­zi­el­le Re­le­vanz ein­be­zie­hen. Auch sich in der Ge­sell­schaft sehen.

Her­bil­dung statt Fort­bil­dung: Hin­bil­dung zu sich selbst. Auch sich in der Na­tur sehen.

Po­li­tik: Ci­toy­en vor Ci­ti­zen vor Bourgeois.

Emp­find­li­che Hall-Fragen:

  • Kön­nen sol­che Bil­dung al­le erreichen?
  • Falls ja, ist ein Staats­ge­fü­ge in so­zia­lem Frie­den mög­lich, wenn al­le ge­bil­det wären?
  • Ver­langt Bil­dung im eben dar­ge­stell­ten Sin­ne ein Ethos der So­li­da­ri­tät für die Ungebildeten?

Ja, lei­der emp­find­li­che Hall-Fra­gen, denn et­was bleibt im­mer üb­rig, ei­ne Set­zung, ein Un­er­gründ­li­ches, die „Rest­men­ge“.

Manch­mal macht es nur die Dosis.